Blogparade: Nebenberuflich oder Vollzeit selbständig?

Im nächsten Frühjahr feiere ich 10 Jahre Selbständigkeit – und da ist die Blogparade von www.selbstaendig-im-netz.de ein toller Anlass, mal in dem Alltagstrubel kurz inne zu halten und darüber nachdzudenken, warum ich mich auf das Experiment Selbständigkeit eingelassen habe…. Los geht´s:

Womit willst oder hast du dich neben- oder hauptberuflich selbständig gemacht?

Ich arbeite als Grafikerin mit dem Fokus auf eine ganzheitliche Betreuung für kleine Unternehmen. Ich kombiniere mit der Coloritas Ideenlounge meine kompletten Erfahrungen aus meinem Volontariat für Kamera und Bildschnitt bei dem lokalen Fernsehsender TV touring mit dem Know-how aus meinem Studium der BWL mit Schwerpunkt Wirtschaftstinformatik:

Das Tagesgeschäft beim Fernsehen forderte viel Flexibilität, Kreativität und die Fähigkeit auch unter Zeitdruck arbeiten zu können. Dort lernte ich viel über grafische Gestaltung – vor allem in Bezug auf maximale zeitliche Effizienz.

Im Studium entwickelte ich meine Leidenschaft für das Internet – parallel dazu verdiente ich mein Geld mit dem Erstellen von Internetseiten. Das war für mich eine perfekte Kombination aus meinen Grafischen Vorkenntnissen und dem Bereich der Wirtschaftsinformatik.

Und auch heute profitiere ich von den BWL-Grundkenntnissen aus meinem Studium – sowohl bei meinem eigenen Bürokram, als auch in der Beratung meiner Kunden.

Auch wenn mein Weg auf den ersten Blick nicht sehr straight war: In meinem heutigen Job kann ich alle Erfahrungen kombinieren und sinnvoll einsetzen.

Warum hast du dich neben- oder hauptberuflich selbständig gemacht?

Unabhängiges Arbeiten – sein eigener Chef sein – eigene Ideen zu verwirklichen… das war schon immer mein Traum. Schon zu Abiturzeiten träumte ich davon, irgendwann auf eigene Rechnung zu arbeiten.

Und dann liegt das Unabhängigkeits-Gen bei uns in der Familie. Meine Großeltern waren Selbständig. Viele meiner Tanten und Onkeln sind Selbständig. Ich glaube, dieser Drang in mir, auf eigene Rechnung zu arbeiten ist genetisch verankert 🙂

Die Entscheidung zur hauptberufliche Selbständigkeit hatte mehrere Gründe:

  • Ich wollte mich voll und ganz auf den Neustart konzentrieren – nebenberuflich hätte ich einfach nicht genug Zeit und Energie gehabt.
  • Ich wusste, dass ich nicht allzu große Schwierigkeiten gehabt hätte, einen festen Job zu finden – im Fall der Fälle, falls es nicht so ganz geklappt hätte.
  • Ich hatte zu diesem Zeitpunkt noch keine großen finanziellen Verpflichtungen und viel Rückhalt aus der Familie (Mehr dazu weiter unten)
  • Ich startete ohne große Investition – für den Rechner und die Software bekam ich von meinen Eltern das Budget, dass eigentlich mal für meine Hochzeit gedacht war 🙂 Damit war alles abgedeckt, so dass ich nicht mit einem finanziellen Minus starten musste…

Hast du deinen Arbeitgeber informiert?

Ja. Fairness ist wichtig. Zusätzlich zog ich damals mit meinem heutigen Ehemann in ein anderes Bundesland. Ich habe auch erst mit der Planung meiner Selbständigkeit begonnen, als mein Job beendet war. Ein sauberer Schnitt war mir sehr wichtig. Auch hatte ich vorher den Kopf nicht frei für die Planung meiner Selbständigkeit.

Wie schaffst du den Balance-Akt zwischen Job, Familie und Gründung?

Gegründet hatte ich glücklicherweise, als ich noch keine Kinder hatte. Ich war in der luxuriösen Situation, dass es noch keine großen laufenden Kosten gab. Und dass ich einen Freund und Eltern als Backup hatte, wenn die Gründung finanziell in ein Desaster gelaufen wäre.

Nach der Gründung hatte ich eine gute Portion Glück. Ich bekam sehr schnell meine ersten Aufträge und hatte in kurzer Zeit ein tolles Partnernetzwerk mit größeren Agenturen, mit denen ich auch heute noch zusammen arbeite.

Dadurch muss ich keine eigene Werbung machen – meine Kunden bekomme ich per Weiterempfehlung und über meine Partnernetzwerke. Und dadurch dass ich keine Kaltakquise betreiben muss spare ich mir sehr viel Zeit – so dass ich damals mit einer klassischen 40 Stunden-Woche gut durchkam. Auch heute dümpelt meine eigene Webseite völlig veraltet vor sich hin, weil ich aufgrund von Projekten nicht dazu komme meine Referenzen zu aktualisieren….

Dann kam die Heirat und ein Jahr darauf das erste Kind. Und nochmal 19 Monate später das zweite Kind. Und damit kam das Chaos. Und das ist die Ãœberleitung zur nächsten Frage – denn dort beantworte ich Einiges zum Thema Familie und Job:

Welche positiven und negativen Erfahrungen hast du gemacht?

Ich bin frei. Ich bin mein eigener Chef. Wenn ich mal Stress habe und viel arbeiten muss, dann macht sich das bemerkbar, dass ich auch mehr Geld verdiene. Das ist eher ein positiver Stress. 

Aber –  bin auch für alles verantwortlich. Wenn ein Fehler passiert, muss ich ihn persönlich ausbügeln. So habe ich beispielsweise einmal ein Projekt falsch kalkuliert. Ich darf gar nicht darüber nachdenken, auf welchen Stundensatz ich dabei kam. Allerdings musste ich mich auch vor keinem Chef rechtfertigen. Was allerdings auch wiederum ein Vorteil war…. Ich habe daraus gelernt – und dieser Kunde war wiederum so glücklich, dass er mir 3 neue Projekte vermittelte – und so hatte sich das doch noch gerechnet.

Und man muss anders planen – wenn ich als Angestellter in den Urlaub gehe, dann kümmern sich (oft) die Kollegen um meinen Kram. Und wenn ich zurück bin, erhalte ich dennoch mein Gehalt auf mein Konto. Als Selbständiger per One-Woman-Show bleibt alles liegen. Und auf dem Konto kommt kein Geld in dieser Zeit. Solche Wochen muss man von vorneherein einplanen.

Wenn meine Kinder krank sind, werde ich auch nicht – wie Angestellte – mit krank geschrieben. Das bedeutet für mich Nachtschichten einschieben. Ihr könnt euch bestimmt vorstellen, wie begeistert ich über den ausdauernden Kitastreik war ….

Mutterschutz gibt es ebenfalls nicht – ich hatte Glück – mir ging es in den Schwangerschaften gut. Deshalb konnte ich bis zum Schluss arbeiten. Aber auch hier gibt es einen Vorteil: Ich konnte schon recht bald eine ausdauernde Mittagspause machen – so habe ich ab dem 5. Monat jeden Tag Mittags 2 Stunden Pause gemacht, in der ich auch wirklich die Füße hochgelegt habe. Vermutlich war das auch der Grund, weshalb ich bis zum Schluss durchgehalten habe. Und mit „Bis zum Schluss“ meine ich auch wirklich bis zum Schluss… In meiner zweiten Schwangerschaft habe ich 1,75 Stunden vor der Geburt noch eine Werbeanzeige fertig gestellt und durchgemailt (!!!!) … Ich gebe zu, ich bin selbst erschrocken, dass so etwas so schnell gehen kann… Als mein Kunde mir dann einen Blumenstrauß schickte mit einem dicken Dankeschön war es wieder da – dieses Gefühl, dass ich meinen Job nie tauschen möchte….

Fazit: Meine Selbständigkeit durchläuft permanent Höhen und Tiefen – aber egal wie ich manchmal darüber meckere – ich würde für nichts auf dieser Welt diese Freiheit aufgeben! Und meine Familie unterstützt mich – meine Eltern und Schwiegereltern stehen zum Babysitten zur Verfügung, wenn es mal zeitlich eng wird. Mein Mann ist zum Glück mit seinem Job auch zeitlich recht flexibel, so dass wir stressige Zeiten recht gut gemeinsam managen können.

Was waren oder sind deine größten Herausforderungen?

Das schwierigste ist die konstante Effizienz. Das tägliche sich selbst motivieren. Da gibt es immer wieder Phasen, in denen das mal leichter oder mal schwerer fällt. Dann stelle ich immer mein System um, wie ich meine To Do Listen führe – von Digital auf Analaog, mal sind es Postits an der Tür, mal eine Excelliste, mal eine Google-Notizen Liste, mal ein Notizbuch. Allein diese Umstellung hilft schon.

Und der größten Herausforderung stelle ich mich aktuell: Ich möchte mir ein passives Einkommen aufbauen, damit ich nicht mehr zeitlich so abhängig vom Projektgeschäft bin. Dazu schreibe ich derzeit an einem Buch. Allerdings brauche ich dafür Zeit – und diese steckt noch im Projektgeschäft fest, mit dem ich mein Basiseinkommen generiere.

… Aber das Schreiben macht Spaß. Und solange diese Herausforderungen mit so viel Spaß verbunden sind, kann ich damit wunderbar leben 🙂

Im Prinzip ist diese Phase fast wie eine nebenberufliche Gründung – denn mein Hauptgeschäft muss weiter laufen, damit das Geld für die Basisausgaben rein kommt. Und das Schreiben wird mein zweites Standbein. Aber ich stelle fest, dass das sehr schwer ist – denn wenn man sich nicht am Stück auf die neue Sache konzentrieren kann zieht sich der Prozess wie ein Kaugummi in die Länge.

Welche Tipps hast du für zukünftige nebenberuflich Selbständige?

  1. Es ist von Vorteil, wenn ihr euch in dem Gebiet, in dem ihr arbeiten möchtet auskennt wie in eurer Hosentasche. Ich kannte zum Zeitpunkt meiner Gründung die branchenüblichen Preise. Ich hatte Erfahrung in der Kundenakquise. Sämtliche Fachkenntnisse waren von Anfang an vorhanden. Das hat mir viel Zeit und auch viel Geld erspart.
  2. Dann braucht ihr einen freien Kopf. Mal schnell gründen und das so vor sich hin plätschern lassen bringt nicht viel. Steckt euer Herzblut rein und konzentriert euch darauf – mit allem was ihr habt.
  3. Der familiäre Rückhalt ist wichtig. Ihr werdet vermutlich auch mal an einem Punkt kommen, an dem ihr euch fragt, wieso ihr euch den ganzen Stress überhaupt gebt. Und genau an diesem Punkt braucht ihr jemanden, mit dem ihr reden könnt. Jemanden, der auch wieder auf die Spur bringt und euch motiviert.
  4. Setzt euch von Anfang an Ziele. Ich habe mit immer kurz-, mittel- und  langfristige Ziele gesetzt. Wieviele Kunden und wieviel Umsatz möchte ich in 3 Monaten haben. Welche Projekte sollen diese Woche abgeschlossen werden. Welche Projekte möchte ich forcieren. Wie soll mein Tagesablauf aussehen. Etc. etc…. Nur wenn ihr euch Ziele setzt, wisst ihr, ob ihr auch das schafft, was ihr euch vorgenommen habt.
  5. Kontrolliert eure Zeit. Nehmt euch einen digitalen Tracker oder schreibt Tagebuch. Aber überprüft, für welche Tätigkeiten wieviel Zeit benötigt wird. Das hilft euch zukünftig, eure Preise zu optimieren und ihr erkennt, welche Tätigkeiten lukrativ sind und welche nicht. Das ist das Einzige, was ich ändern würde, wenn ich nochmal starten würde. Ich würde von Anfang an meine komplette zeit dokumentieren.

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Selbständig zu arbeiten ist eine Grundeinstellung. Man ist frei. Aber man bezahlt seine Freiheit mit dem Risiko und der Eigenverantwortlichkeit für sein eigenes Berufsleben und sein Einkommen.

Aber ich war schon immer ein Verfechter der These „Jeder ist seines Glückes Schmied“. Das Gefühl, selbst aus eigener Kraft auf seinen Beinen zu stehen ist einfach nur fantastisch!

So, und jetzt freue ich mich schon auf viele weitere Beiträge dieser sehr spannenden Blogparade von selbstaendig-im-netz.de!

Kommentare

  1. Jana 15. September 2015 um 15:23 Uhr

    Sehr schöner Beitrag! 🙂
    Ich war, während ich mich auf einen festen Job beworben habe nach dem Studium, nebenbei „ein bisschen“ selbstständig mit grafischen Arbeiten 😉 Allerdings habe ich schnell gemerkt, dass das wohl auf Dauer nichts für mich ist, und ich bin froh, jetzt einen festen Job mit festen Stunden zu haben. Aber es ist der allererste Job, also wer weiß was noch kommt 😀
    Auf jeden Fall fand ich deinen einen Punkt sehr interessant, und zwar mit dem To-Do-Listen-Umstellen! Mir geht es nämlich auch so, dass ich schnell „ermüde“ von einer Art Liste, und vielleicht sollte ich das direkt mal ausprobieren 🙂 Danke für den Tipp!

    Liebe Grüße ♥

    • coloritas 15. September 2015 um 18:43 Uhr

      Dankeschön 🙂 Ja, und feste Zeiten haben tatsächlich auch etwas Gutes. Ich bin sehr froh, dass mein Mann einen festen Job hat – wenn wir beide Freiberufler wären wäre ich vermutlich nicht so relaxed 🙂

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